Interview
Florian Berger
Florian Berger: Donkey und &MYLK
„Zuerst habe ich gedacht: Oh Gott, das ist gar nicht die Zeit für Unternehmer. Doch dann habe ich gemerkt: Das ist die beste Zeit für Unternehmer, weil sich soviel zurechtruckelt und sich dadurch wieder so viele Möglichkeiten ergeben.“ Florian Bergers Unternehmen Donkey entwickelt und verkauft seit mehr als 10 Jahren kreative Design-Produkte mit “Donkey-Effekt”. Durch die Abhängigkeit vom stationären Handel, löste der erste Lockdown 2020 eine echte Krise aus. Aber fast zwei Jahre später steht der Donkey besser denn je da – nicht zuletzt, weil dem Esel auch das Schwesterunternehmen &MYLK zur Seite steht, das Markenberatungen anbietet. &MYLK wurde zwar bereits 2019 von Florian und seinen Kolleg*innen gegründet, hob aber während Corona erst so richtig ab. Doch der Reihe nach …
- Schnell ins Tun gekommen
- „Zuerst war das schon ein Schock. Wir haben ja wahnsinnig lange Vorlaufzeiten mit unseren Produkten.“ beschreibt Florian den ersten Lockdown. Als keine Pakete mehr an Geschäfte zu verschicken waren, weil die geschlossen hatten, hätte er alle Mitarbeitenden nach Hause schicken können. Stattdessen gab es Kurzarbeit. Und das Team hat sich neu organisiert. „Da haben dann Lagerarbeiter Texte geschrieben, der Einkäufer hat programmiert und Marketing hat sich mit Amazon beschäftigt. Wir haben mit einem Team von sechs bis acht Leuten in sechs Wochen einen komplett neuen Webshop aufgesetzt.“ Natürlich konnte der Webshop den Umsatzeinbruch nicht wettmachen, aber „wir kamen gleich ins Tun und das gab uns ein unheimlich gutes Gefühl. Und das Bewusstsein, dass wir in kurzer Zeit viel schaffen können.“
- Beratungen als neues Standbein
- „Das andere Unternehmen, &MYLK, hatten wir 2019 eigentlich gegründet, um für andere Marken physische Produkte zu entwickeln“ erinnert sich Florian. „Doch im Lockdown haben wir gemerkt, dass es einen Bedarf dafür gibt, andere Firmen auch im Bereich Marke zu unterstützen: Markenentwicklung, Markenpositionierung, Aufbau von B2C-Brands, Kreativworkshops und Aufbau von neuen Geschäftsmodellen. Wir unterstützen auch in Fragen zu neuen Vertriebsmöglichkeiten.“ Doch wie merkt man, dass es so ein Bedarf besteht? „Wir haben mit einem großen Hamburger Konzern gesprochen. Dort haben sie gesagt: ‘Ihr könnt doch so gut Produkte entwickeln. Könnt ihr für uns nicht auch eine eigene Marke entwickeln?'“. Wenn große Unternehmen neue, eigene Marke entwickeln, dann brauchen sie normalerweise eine Unternehmensberatung, jemanden, der die Marke mit Leben füllt, jemand für die Corporate Identity, Produktentwickler*innen und eine Verpackungsagentur, zudem zwei Leute intern, die das Projekt steuern. &MYLK konnte alles davon aus einer Hand liefern. „Wir haben gesagt: Wenn das eine Firma von uns will, dann wollen das bestimmt auch andere.“ &MYLK beschäftigt mittlerweile acht Mitarbeiter*innen und generiert Umsätze im oberen sechsstelligen Bereich. „Da Beratung anders als der Handel sehr rasch zu Zahlungseingängen führt, war das für uns ideal zur Stabilisierung des Cashflows“ erklärt Florian.
- Kreativität und Netzwerk
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„Ich habe jahrelang geglaubt, dass wir halt einfach besonders gut darin sind, Produkte zu entwickeln. Doch irgendwann habe ich verstanden, es ist der kreative Prozess, der zu Produkten führt, der uns ausmacht. Und das ermöglicht uns, in neue Richtungen zu denken.“ In der Krise seien ihm zwei Sachen besonders wichtig gewesen, sagt Florian: Kreativität und Netzwerk. Er spricht von Augenhöhe, davon die Arme auszubreiten, voneinander zu lernen. Doch wie geht das genau? „Im April 2020 habe ich hier einfach einmal die Tür zugemacht und einen Tag lang nur auf einer weißen Wand aufgeschrieben und geordnet, wen ich kenne: Wer sind die? Woher kommen die? Wie geht es denen vielleicht gerade? Und dann habe ich viele angesprochen und gefragt, was sie gerade machen, wo sie Hilfe brauchen“ Dabei seien einige Projekte entstanden. „Außerdem habe ich versucht, neue Leute kennen zu lernen – von denen ich zum Beispiel etwas gehört oder gelesen hatte. Die habe ich gefragt, ob sie Lust haben, einmal eine halbe Stunde zu sprechen.“
- Machen statt fragen
- „Unternehmertum heißt nicht einfach nur eine gute Idee zu haben, sondern es heißt im Grunde, wie das Wort auch sagt, dass man jeden Tag etwas unternehmen muss.“ So sei beim Machen in der Pandemie viel Neues entstanden, noch mehr aber auch wieder verworfen worden. Für Donkey gehört dabei ein Businessplan jedoch nicht dazu. „Wir schreiben einen Plan, validieren das mit drei Kunden, schreiben dann einen neuen Plan und rufen wieder drei an." Ist das professionell? „Unsere Firma probiert unglaublich gerne rum und versucht, dies so professionell wie möglich zu machen.“ erklärt Florian die Methode. „Aber wir glauben daran, dass man beim Tun lernt, und nicht beim Fragen.“ Dass der Donkey trotzdem merkt, wann er falsch abgebogen ist, liegt laut Florian vor allem an der Kommunikation untereinander – auch bei Projekten, für die es einen langen Atem braucht. „Wir reden miteinander und zählen darauf, dass wir gemeinsam mehr gute als schlechte Entscheidungen treffen.“
- Alles sagen dürfen – ohne Angst
- Florian sagt, in der Krise habe sich die Kommunikation mit dem Team geändert. „Wenn wieder etwas schiefgelaufen ist oder wieder mehr Kurzarbeit kam, haben wir mit allen gesprochen. Wir wollten allen das Gefühl gegeben, dass sie alles sagen dürfen und können und dass sie keine Angst zu haben brauchen. Da haben wir schon auch echt wahnsinnig viel Energie investiert.“ Am Ende sei aus dem 30-köpfigen Team keine*r entlassen worden. „Wir haben sogar Arbeitsplätze geschaffen.“
- Mehr richtige als falsche Entscheidungen treffen
- Was tut eigentlich Florian Berger, um selbst gut durch eine Krise zu kommen? „Ich war anfangs schon sehr besorgt. Doch irgendwann habe ich beschlossen: Ich kann nur jeden Tag aufstehen und versuchen, mein Bestes zu geben. In der Hoffnung, dass ich mehr richtige als falsche Entscheidungen treffe.“ Natürlich hätte er sich mit seiner Co-Geschäftsführerin Sylvia Gercke schon vor Jahren darüber Gedanken gemacht, wie man sich vom Handel unabhängiger machen könne: „Hinter &MYLK steckte auch vor der Krise schon die Idee der Absicherung.“ Gelungen sei das aber erst in der Krise. Florian gesteht sich dabei ein, wie unterwegs die Perspektivenlosigkeit genervt hat, das Planen von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. „Doch wir haben das Boot eigentlich in einem guten Fahrwasser gehalten. Mit einem affenartigen Kraftaufwand. Ich persönlich habe seit der Gründung nicht mehr so viel und intensiv gearbeitet.“ Die Freude daran hat er aber nicht verloren: „Zum Glück tue ich etwas, das ich richtig gerne mache. Wenn ich um 19 Uhr nach Hause gehe, dann weil ich meine Familie sehen möchte. Und nicht, weil ich nicht mehr arbeiten könnte oder wollte.“