Interview
Xaver Willebrand
Xaver Willebrand: IMAscore und IMAmotion
Lieber enttäuscht als selektiv begeistert
„Wir versuchen natürlich, einen Plan zu haben, aber es ist Kreativwirtschaft und es ist Musik. Es ist Kunst und Freizeitpark. Es ist im Grunde Zirkus. Es ist Hollywood. Und Hollywood ist unplanbar.“ Das Unternehmen von Xaver Willebrand, Andreas und Sebastian Kübler hat – viele Jahre nach der Gründung in 2009 – heute noch keinen Businessplan. „Mein schlimmstes Szenario war Krieg in Europa. Wir dachten, solange der nicht in Deutschland stattfindet, hat das keine großen Auswirkungen auf uns. Dass Freizeitparks auf der ganzen Welt schließen müssen und dass auch die Filmindustrie global stillsteht, damit haben wir nicht gerechnet.“ Damit müsse man aber auch nicht rechnen, ergänzt Xaver. In der Tat ist IMAscore gut durch die Krise gekommen, auch ohne Plan oder Szenario für eine weltweite Pandemie.
- Alle bleiben an Bord
- „Das Geschäftsjahr 2020 endete im Grunde im März mehr oder weniger komplett für uns. Da waren nur ein paar längerfristige Großaufträge, mit denen wir uns über Wasser hielten.“ IMAscore ist Marktführer für Audioproduktionen von Freizeitparks. Mit Ausnahme von Komplettproduktionen für Parks in Vietnam und Russland wurden alle Projekte mit Beginn der Pandemie auf Eis gelegt. Auch die Produktion von Film-Trailern unter anderem für Disney und andere Hollywood-Unternehmen brach zu diesem Zeitpunkt vollständig ein. Kinowerbung: dito. Es blieben Aufträge für Streaming-Dienste wie Netflix, die im Gegensatz zu den weggefallenen Aufträgen nicht besonders gut bezahlt sind. „Fast alle haben uns empfohlen, uns ein bisschen zu entschlacken. Aber wir haben in der Zeit alle Mitarbeitenden behalten. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, weil das unsere Freunde sind, die mit uns arbeiten. Hätten wir nicht alle behalten, wären wir, so glaube ich, gescheitert. Das ist allerdings eine Erkenntnis, die man nur im Nachhinein haben kann.“ Es sei gut gewesen, ein Team zu haben, das nicht zu schnell in Panik gerät. „Wir waren immer ehrlich und haben gesagt, wir können nur bis zum nächsten Monat garantieren, dass wir personell so aufgestellt bleiben.“ Doch als im Herbst die Aufträge wieder anliefen, war es laut Xaver entscheidend, mit der vollen Power von 16 Personen da zu sein.
- Viele Zufälle und ein neues Geschäft
- „Als wir Anfang 2021 merkten, dass es sich für uns wieder ausgehen wird, wollten wir erstmals einen weiteren Projektmanager neben mir einstellen. Ich war mir sicher, dass es am Markt niemand gibt, dem ich ausreichend vertrauen kann. Und dann fand ich ihn, weil unsere Kinder zufällig in dieselbe Kita gingen“, erinnert sich Xaver. Neben den gesuchten Qualitäten brachte Pierre Reinhard jedoch auch viel technisches Interesse und jede Menge Erfahrung mit verschiedensten Materialien mit. „Und da merkte ich, dass uns genau das gefehlt hatte, um Themenparks als Turn-Key-Projekte anbieten zu können – also nicht nur die Musik, sondern auch die Achterbahnen zu machen.“ Zufällig war dann noch einer der besten Freelancer für Concepts und 3D im Freizeitparkbereich verfügbar und bereit mitzumachen. „Er hatte gute andere Angebote, aber er war ein Fan von uns. Und dazu kam dann noch meine Frau als Bauingenieurin. Damit konnten wir alle Bereiche abdecken und unter dem neuen Label IMAmotion einen Park Turn-Key verkaufen.“
- Das Glück einsammeln
- „Wir hatten einfach Glück. Glück, dass wir so aufgestellt waren. Alles andere wäre aus meiner Sicht gelogen“, gibt sich Xaver bescheiden. Doch was kann man tun, um Glück zu finden? „Wir konnten auf jeden Fall das Vertrauen derer nutzen, die in den letzten Jahren im Musikbereich mit uns gearbeitet hatten. Dass wir statt Musik für einen fünfstelligen Betrag nun einen Themenpark für einen satten siebenstelligen Betrag verkaufen konnten, ist dem Vertrauen des Kunden in das Unternehmen IMAscore geschuldet.“ Aber vielleicht ist es auch dem Weitblick und der Arbeit mit dem, was da ist, geschuldet? „Wir versuchen generell zu monetarisieren, was an Talenten bei uns in der Firma vorhanden ist. Wir sind ein Kreativbetrieb und das bedeutet, Talent zu nutzen. Wir haben Komponisten, die auch gute Designer sind. Unser Medien-Designer hat einen DJ-Hintergrund, kann dadurch auch in elektronischer Musik aushelfen. Als durch die Pandemie Musik nicht so gefragt war, haben wir uns natürlich überlegt: Was gibt es neben der Musik, das wir können?“
- Viele Luftschlösser – und Begeisterung
- „Wir bauen viele Luftschlösser”, sagt Xaver. Viele Aktivitäten führen am Ende zu nichts. „Es gefällt nicht allen, wenn wir von etwas begeistert sind, und dann passiert am Ende nichts. Aber manchmal bleibt dabei etwas hängen. Ich werde lieber enttäuscht, als es nicht zu probieren. Lieber bin ich begeistert und es wird am Ende nichts, als dass ich aufhöre, begeistert zu sein.“ Ob eine Idee gut ist, sei keine bewusste Entscheidung, sagt Xaver – außer wenn sie merken, dass die Umsetzung zu teuer wäre. Die Entscheidungen trifft das Unternehmen offenbar vor allem intuitiv. „Oft ist es irgendetwas anderes als die Finanzen, das unsere Begeisterung entfacht und unsere Aufmerksamkeit umlenkt, wie das Eichhörnchen, das gerade vorbeiflitzt. Ich bin davon überzeugt, dass nur die Projekte die richtigen sind, die es schaffen, unsere Aufmerksamkeit so lange zu halten, dass wir sie verwirklichen. Da ist halt viel Bauchgefühl dabei und damit lässt sich auch schlecht Venture Capital einholen.“
- Den Resilienz-Muskel trainieren
- Und dennoch: Wenn eine Idee nicht aufgeht, sich ein Gedanke nicht zum Endprodukt entwickelt, dann kann das enttäuschend sein. Xaver geht damit gelassen um. „Wahrscheinlich liegt es bei mir daran, dass ich unser Projektmanagement mache – das ist anders als das, was meine Co-Gründer machen, wenn sie sich aufs Komponieren konzentrieren“, reflektiert Xaver. „Ich bekam das schon immer mit, wenn etwas schief ging. Und ich glaube das ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Ich habe heute kein Problem damit, wenn wir Rückschläge haben. Natürlich bin ich enttäuscht, aber das teile ich nicht immer mit dem Team. Ich ärgere mich halt, und dann geht es weiter. Aber davor hatte ich die Zeit der Begeisterung miterlebt, und das mag ich.“
- Am wichtigsten: Vertrauensvolle Beziehung zu Kund*innen
- „Wenn wir in der Krise nicht diese freundschaftlichen Beziehungen zu unseren Kunden gehabt hätten, hätten wir Probleme gehabt“, analysiert Xaver weiter. „In einer früheren Krise habe ich zum Beispiel einmal einen Kunden angerufen und gesagt: Es ist gerade echt knapp, habt ihr etwas für uns? Da hat dieser Park einen Auftrag generiert, den er sonst erst ein paar Monate später ausgeschrieben hätte. Mit der Vorkasse daraus kamen wir über die Runden.“ Diese Beziehungen entstünden nicht strategisch, sondern weil das Unternehmen es so wolle. „Es gibt viele Komponisten da draußen, auch viele Gute. Was uns ausmacht, ist, dass wir freundlich sind, Spaß bei der Arbeit haben, die Kunden verstehen und eine persönliche Beziehung eingehen. Ich telefoniere oft mit Kunden auch ein bis zwei Stunden lang. Und die erzählen mir von ihren persönlichen Themen. Über Musik baut man halt eben ein unfassbar persönliches Verhältnis auf.“ Und so entstünde laut Xaver dann auch das Vertrauen, dass er mit seinem Team auch ganze Themenparks realisieren könnte. Es brauche jedoch auch eine Portion Wahnsinn, so einen Auftrag im Zweifelsfall auch anzunehmen. „Ich weiß nicht, wie genau wir das schaffen, aber wir haben Leute gefunden, die sich das mit uns zutrauen. Glück ist ja letztlich nicht planbar. Das heißt man muss auch unplanbar mit etwas Wahnsinn agieren, um das Glück einzusammeln.“