Interview
Daniel Deboy
Daniel Deboy: Delta Soundworks
Standbein und Spielbein
„Das Geschäftsmodell des großen Tonstudios ist eigentlich kaputt. Unser Haus ist so etwas wie eine letzte Bastion in Deutschland. Allein deshalb sind wir schon dazu gezwungen, zu überlegen: Was können wir mit den Mitteln, die wir haben, machen?“ erzählt Daniel Deboy, Toningenieur und einer der Gründer*innen von DELTA Soundworks. Im Tonstudio in der alten Zigarrenfabrik bei Heidelberg wurde in den 1980er Jahren „in Fließbandarbeit aufgenommen.“ Heute wird das große Haus neben DELTA Soundworks von 15 Freiberufler*innen genutzt, die sich auch das Equipment teilen. Über die Jahre ist eine resiliente Struktur entstanden: „Aus der Kombination aus Assets und Menschen im Haus ist vieles möglich, ohne dass man gleich tausende Euro braucht, um etwas überhaupt erst probieren zu können. Ich bin wohl derjenige hier, der da gerne neuere, innovativere Dinge denkt.“
- Ein Herzensprojekt …
- Mit der Gründung von DELTA Soundworks in 2016 hat sich Daniel gemeinsam mit Ana Monte „von der Technik ins Kreative“ entwickelt. Das zwei-Personen-Unternehmen macht mit seinem Netzwerk an freien Mitarbeitenden Sounddesign, beispielsweise für Computerspiele. DELTA arbeitet auf qualitativ hohem Niveau und hat sich auf 3D Sound spezialisiert. „Wir machen Sounddesigns für eigentlich alles, was man immersiv erleben möchte, wie zum Beispiel in virtuellen Realitäten im 360 Grad Film. In letzter Zeit haben wir aber auch Aufträge für Freizeitparks bekommen.“ erklärt Daniel. Warum zu zweit? „Eigentlich wollen wir personell nicht wachsen. Und auch viele der Kreativen in unserem Netzwerk wollen die Freiheit, nicht angestellt zu sein.“ Zu Beginn der Pandemie war das Geschäft der DELTA Soundworks kurzfristig massiv eingebrochen. Kein Problem, wenn man Alternativen hat.
- … und ein zweites Standbein
- „Ich habe auch ein zweites Standbein. Dabei nutze ich meine Qualifikation als Tonmeister. Seit vielen Jahren mache ich Musikaufnahmen im Klassik- und Jazzbereich.“ Zu Beginn der Pandemie war auch hier von heute auf morgen der Terminkalender leergefegt, aber es hat nicht mal eine Woche gedauert, da kamen schon neue Jobs um die Ecke. „So fand ich mich zum Beispiel plötzlich als Tonmeister am Set für Kochshows wieder, die erklärten, was man alles mit seinen gehorteten Lebensmitteln anfangen kann. Am Anfang war da schon eine Schrecksekunde, als Aufträge wegbrachen. Aber in weiterer Folge auch ein Gefühl der Sicherheit, durch die neuen Türen, die sich geöffnet haben.“
- Bezahltes Lernen
- „Ich bin auch recht rasch auf den Trend des Live-Streamings aufgesprungen.“ erinnert sich Daniel. Da war ein Konzert in Dresden, weitere aus dem eigenen Studio. Auch die Projektleitung für einen kompletten Online-Musikwettbewerb habe er übernommen: Der Lions Club sendete sein jährliches Spendenkonzert aus der alten Zigarrenfabrik... „Da konnte ich ein weiteres Geschäft aufbauen, das ich heute bei Bedarf ein- und ausschalten kann.“ Auch bestehende Partnerschaften konnte Daniel neu nutzen. „Ich habe immer wieder Ton für Leute gemacht, die Videos produzieren. Ich kann das jetzt aber auch andersrum angehen und die Video-Experten für meine Projekte anrufen.“ Das alles falle unter „Dienstleistung – da ist wenig Herzblut dahinter, aber ich mache es trotzdem gerne.“
- Was noch mit dem, was da ist?
- „Nachdem Streaming ganz gut funktioniert hat, haben Ana und ich uns gefragt: Was können wir noch damit machen, was dann mehr mit uns zu tun hat? Nachdem wir gut in 3D Sound sind, haben wir darüber nachzudenken begonnen, Livestreaming in 3D Audio zu probieren. Wir haben dann in sehr gutes Equipment investiert und können damit auch neu Dinge anbieten, die nicht jeder kann.“ Mit den angeschafften Mikrofon-Arrays für 3D entstanden dann auch gleich Ideen, welche Arten von Sounds damit aufgenommen und als Library angeboten werden können. „In der Ecke passiert zwar schon einiges, aber noch nicht in der Qualitätsstufe, die jetzt einmal nur wir liefern können.“ Wie das alles zustande kommt? „Da haben wir viel kombiniert, was da so um uns herumliegt.“
- Herausfinden, was ich noch machen will
- „Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass wir krisensicher aufgestellt sind“ reflektiert Daniel. „Da hat es geholfen, dass die Projekte sehr verschieden sind. Das war mir früher nicht so klar, aber jetzt ist es eine bewusste Entscheidung.“ Daniel wechselt in der Art, wie er sein Kreativunternehmertum lebt, scheinbar mühelos zwischen Technik und Kreativ, aber auch zwischen Bestehendes ausschöpfen und Neues erkunden. In seinen Worten: „Das ist für mich so eine Art Lebensaufgabe: Herausfinden, was will ich noch alles ausprobieren und machen? Was macht mir Spaß? Die meisten Toningenieure entscheiden sich im Laufe ihres Lebens zwischen der technischen und der kreativen Richtung. Aber ich habe meine Nische irgendwo dazwischen gefunden.“